Beten mit Vinzenz von Paul

Das Ziel von "Beten mit Vinzenz von Paul" ist, dass du die reiche Spiritualität dieses Heiligen entdeckst und seinen Geist und seine Weisheit in deine Beziehung zu Gott, zu deinen Brüdern und Schwestern und zu dir selbst zu integrieren vermagst.

Jede Meditation kann dein Verständnis für seine Spiritualität erhellen und dich zum Nachdenken über deine eigene Erfahrung anleiten.

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Anregungen

Anregungen für das Beten mit Vinzenz von Paul

Als Hilfe für dein Gebet, hier ein paar Anregungen aus der Tradition christlicher Spiritualität.

Schaffe dir eine Gebetsecke

Christus sagt: "Du aber geh in deine Kammer, wenn du betest, und schließ die Tür zu; dann bete zu deinem Vater, der im Verborgenen ist. Dein Vater, der auch das Verborgene sieht, wird es dir vergelten." (Mt 6,6) So beten kann man am besten dort, wo man Abgeschiedenheit und Ruhe hat, beides Luxusgüter im Leben geschäftiger Menschen. Ist dies nicht möglich, so schaffe dir Abgeschiedenheit in dir selbst, vielleicht am Weg zu oder von der Arbeit, im Wartezimmer beim Zahnarzt, oder während du auf sonst jemanden wartest. Versuch es so gut du kannst, im Wissen um die Allgegenwart des liebenden Gottes. Egal, ob du die Meditationen in diesem Buch allein oder in einer Gruppe machst, sorge für eine Gebetsatmosphäre mit Kerzen, meditativer Musik, geöffneter Bibel oder einem Kreuz.

Öffne dich der Kraft des Betens

Jegliche menschliche Erfahrung hat eine religiöse Dimension. Das ganze Leben ist erfüllt von Gottes Gegenwart. Erinnere dich dessen, wenn du dein Gebet beginnst. Sorge dich nicht wegen etwaiger Zerstreuungen. Wenn dich etwas beharrlich ablenkt, sprich eine Zeitlang mit Gott darüber. Bleibe geschmeidig und anpassungsfähig, denn Gottes Geist weht, wo Er will.

Das Gebet kann deinen Geist öffnen und deinen Horizont erweitern. Sei offen für neue Arten und Weisen Gott, die Mitmenschen und dich selbst zu sehen. Wenn du dich dem Geist Gottes öffnest, werden Emotionen frei, wie Wehmut von lieben Erinnerungen her, oder Freude durch die Erinnerung an ein schönes Fest. Unsere Gefühle sind Botschaften Gottes, die uns viel über unser geistliches Streben erzählen können. Beten stärkt auch unseren Willen, das Gute zu tun. Durch das Gebet kann Gott an unserem Willen rühren und uns die Kraft verleihen, dem, was wir als wahr erkannt haben, entsprechend zu leben.

Viele der Meditationen werden dich auffordern, deine Erinnerungen, deine Vorstellungskraft und deine Lebensumstände voll in das Gebet einzubringen. Die großen Mystiker und Heiligen erkannten, dass sie alle zur Verfügung stehenden Mittel einsetzen müssten, um Gott besser kennen zu lernen. Zweifellos spricht Gott fortwährend zu uns und berührt uns dauernd. Wir müssen hören und fühlen lernen, mit all dem, was Gott uns gegeben hat.

Komm zum Gebet mit offenem Herzen, offenem Denken und bereitem Willen.

Denke jede Meditation kurz durch, bevor du beginnst:

Nachdem du dich in Gottes Gegenwart versetzt hast, halte kurz Vorschau auf die Lesungen und die Art der Betrachtung. Den Meditationen sind mehrere Betrachtungsweisen angefügt, weil verschiedene Arten zu beten verschiedene Persönlichkeiten an- oder verschiedenen persönlichen Lebenslagen entsprechen.

Denke daran: Jeder Meditation sind mehr Betrachtungsweisen angefügt, als man in einer Gebetszeit durchführen kann. Wähle daher jedes mal nur eine oder zwei davon aus. Fühle dich nicht dazu verpflichtet, alle Betrachtungsweisen durchzuführen.

Lies in ruhiger, meditativer Art

Jede Meditation bietet dir eine Geschichte aus dem Leben des hl. Vinzenz und einen Abschnitt aus seinen Schriften. Lass dir Zeit beim Lesen. Wenn dich eine Stelle berührt, bleibe dabei. Verkoste ihre Stimmungen, ihre bedeutungsvollen Aussagen und ihre Bezüge.

Benutze die Reflexionen

Den Lesestücken folgt jeweils eine kurze Reflexion in Form eines Kommentars, die dem Lesestück eine bestimmte Perspektive geben soll. Dann stehen mehrere Betrachtungsweisen zur Auswahl, die sich auf die Lesestücke und das Thema des Gebets beziehen. Du wirst mit den Arten der Betrachtung wohl vertraut sein, wenn aber nicht, so seien sie hier kurz beschrieben:

• Wiederholtes Kurzes Gebet oder Mantra: Eine Art, dein Gebet zu vertiefen, ist das Verwenden eines Mantra, eines Gebetswortes. Das Mantra kann ein einzelnes Wort oder ein Satzteil aus den Vinzenztexten oder aus der Heiligen Schrift sein. Zum Beispiel wäre für Meditation 1 ein kurzes, passendes Gebet: "Liebender Gott". Dieses Mantra hilft, langsam, im Rhythmus des Atems wiederholt, Herz und Sinn auf eine der Wirkungsweisen oder Eigenschaften Gottes hinzulenken.

• Lectio divina: Diese Art der Meditation bedeutet "göttliches Studium", nämlich eine konzentrierte Betrachtung des Wortes Gottes oder der Weisheit eines geistlichen Schriftstellers. Die lectio divina ist meistens eine Einladung, einen der Abschnitte mehrmals zu lesen, dich dann auf einen oder zwei Sätze einzulassen und ihre Bedeutung und Auswirkung für dich zu erwägen. Die lectio divina endet normalerweise mit der Formulierung eines guten Vorsatzes.

• Geführte Meditation: In dieser Art der Betrachtung hilft uns unsere Vorstellungskraft, verschiedene Handlungen und wahrscheinliche Folgen daraus zu überlegen. Unsere Vorstellungskraft hilft uns persönlich auf neuen Wegen, Gott, die Mitmenschen, uns selbst und die Natur sehen zu können. Jesus sprach, die Vorstellungskraft seiner Jünger an, wenn Er ihnen Gleichnisse und Geschichten erzählte. In diesem Buch bist du eingeladen, Meditationsanleitungen zu folgen.

Eine Möglichkeit, eine solche Meditation durchzuführen, wäre, die Szene oder Geschichte mehrmals zu lesen, bis du ihre Grundzüge kennst und sie abrufen kannst, wenn du mit deiner Betrachtung beginnst. Vielleicht möchtest du deine Betrachtung vor deiner Gebetszeit auf Kassette aufnehmen. Wenn ja, vergiss nicht, Pausen zur Reflexion einzuhalten und langsam und ruhig zu sprechen. Dann, während des Gebetes, wenn du das Lesestück und den Reflexionsteil gelesen hast, kannst du die aufgenommene Betrachtung abspielen und dich von ihr führen lassen. Wenn dich deine eigene Stimme zu sehr ablenkt, bitte einen Freund, das Band zu besprechen.

• Gewissenserforschung: Die Reflexionen werden dich oft auffordern, dich zu fragen, wie Gott im Leben zu dir spricht oder gesprochen hat - anders ausgedrückt: du wirst aufgefordert, zu überprüfen, wie sehr du dir der Gegenwart Gottes in deinem Leben bewusst bist.

• Geistliches Tagebuch: Schreiben ist ein Vorgang des Entdeckens. Wenn du schreibst, egal wie viel und ehrlich darlegst, was dir durch den Kopf und durchs Herz geht, wirst du viel über dich selbst herausfinden: In welchem Verhältnis du zu Gott stehst, was für sehnliche Wünsche du auf dem Herzen hast, und mehr. Bei einigen Reflexionen wirst du gebeten, einen Dialog mit Jesus oder jemand anderem zu führen. Auch wenn du noch nie etwas zu einer Meditation geschrieben hast, versuche es nur. Nimm dafür ein eigenes Notizbuch. In Zukunft kannst du dann jederzeit bei einer Gewissenserforschung auf deine ersten Schritte zurückblicken.

• Tätigkeit: Möglicherweise wird dich eine Betrachtung anregen, ein Lieblingslied zu singen, spazieren zu gehen oder dich auf irgendeine andere Weise körperlich zu betätigen. Tätigkeit, besonders wenn sie als Dienst verrichtet wird, kann eine bedeutungsvolle Form des Gebetes sein.

Der Gebrauch der Meditationen in der Gruppe

Wenn du diese Meditationen in einer Gruppe verwenden willst, können diese Anregungen hilfreich sein:

  • Lies das Thema vor. Rufe die Gruppe mit dem kurzen Eröffnungsgebet in Gottes Gegenwart. Lade einen oder zwei Teilnehmer ein, die beiden Lesestücke oder auch nur eines vorzutragen. Werden beide Lesungen gehalten, so halte man dazwischen die kurze Pause ein.
  • Der Kommentarteil der Reflexionen kann als Lesestück verwendet oder ausgelassen werden, je nach Bedarf und Interesse der Gruppe.
  • Suche einen der gegebenen Reflexionspunkte für die Gruppe aus und gib ihr genügend Zeit zum Betrachten, ein Herzensgebet, Gebet oder Mantra zu sprechen, eine lectio divina oder eine Gewissenserforschung zu machen. Abhängig von der Anzahl der Teilnehmer und der zur Verfügung stehenden Zeit, kann man auch dazu einladen, die Gedanken, Fragen, Antworten oder auch Bitten in Form eines Gebetes vor der Gruppe auszusprechen.
  • Abschließend kann man - als Zusammenfassung der Meditation - eine Stelle aus der Heiligen Schrift lesen.
  • Ist ein formuliertes Gebet oder ein Psalm als Abschluss vorgesehen, sollten es alle gemeinsam sprechen. Du kannst aber auch jemanden aus der Gruppe bitten, ein eigenes Abschlussgebet zu sprechen.

Jetzt kannst du beginnen, mit Vinzenz von Paul zu beten, einem treuen, fürsorglichen Begleiter auf deinem geistlichen Weg. Ich hoffe, du findest in ihm einen wahren Seelenfreund.

CARL KOCH dFSC

Einführung

Einführung - Vinzenz, ein attraktiver Heiliger

"Eine andere Person lieben heißt Gottes Angesicht schauen." Dieser fesselnde Gedanke aus dem Musical "Les Miserables" fasst die Spiritualität des heiligen Vinzenz, der zweihundert Jahre, bevor der dem Musical zugrundeliegende Roman geschrieben wurde, gelebt hat, recht gut zusammen. Vinzenz war zwar ein geistlicher Begleiter von Diözesanpriestern, ein Bauer, der engen Kontakt mit Adeligen pflegte, einer der Vorkämpfer einer Welle von kirchlichen Erneuerungen, ein schöpferisches Genie bei der Organisation von Sozialhilfeprogrammen und ein Meister der Predigt, vor allem aber war er ein Mensch, der Gott in den "anawim", den Armen, Kranken, den von der Gesellschaft Ausgeschlossenen auf dem Land und in den Städten fand und diente.

Vinzenz band andere Menschen in seine Vorhaben ein und machte sie zu Mitarbeitern. Viele Priester und Laien schlossen sich ihm an. Er betrat Neuland als er Frauen einlud, in einer Gemeinschaft die Armen und Kranken in ihren Häusern zu besuchen und zu pflegen. Die Barmherzigen Schwestern lebten und arbeiteten außerhalb von Klöstern, ein bedeutender Wandel für Ordensfrauen. Heute sind viele Frauen und Männer weltweit in die Fußstapfen des heiligen Vinzenz getreten, als Mitglieder der Kongregation der Mission (Lazaristen), der Barmherzigen Schwestern, der Vinzenzkonferenzen, der Sozialkreise in den Pfarren und anderer Gruppen der Caritas.

Seine Gabe, den Dienst am Menschen mit einem tiefen Gebetsleben zu verbinden, macht Vinzenz heute für Christen sehr anziehend. Seine Art, Gebet und Tat miteinander zu verknüpfen, hat in den letzten drei Jahrhunderten Abertausende Gläubige angesprochen. Er ist noch immer ein bewährter geistlicher Reisebegleiter für alle,

  • die um ein Miteinander von Gebet, Meditation und dem Dienst am bedürftigen Nächsten ringen,
  • die von ihrer Arbeit geistlich erschöpft statt erfrischt und genährt werden,
  • die Gott in den Augen der Armen, Kranken, der Obdachlosen und Verzweifelten erkannt haben.

Vinzenz wird ein guter Begleiter sein für jeden, der das rechte Maß, das notwendige Gleichgewicht sucht zwischen Aktivität und Kontemplation, zwischen klugem, überlegtem Handeln und vertrauensvoller Hingabe. (Er selber lernte dieses ausgewogene Miteinander in den Feuerproben seiner eigenen Erfahrungen, wie aus seiner Biographie zu ersehen ist.)

Meditation 1

Meditation 1 - Gott, unser(e) liebende(r) Vater (Mutter)

Thema:

Vinzenz wusste sich von Gottes mütterlicher und väterlicher Liebe getragen.

Eröffnungsgebet:

Starker und gütiger Gott, hilf mir deine liebende Fürsorge wahrzunehmen, mit der du mich in deinen Händen hältst.

Aus seinem Leben:

Das religiöse Barometer Frankreichs stand in Vinzenz späteren Jahren auf Sturm. Die Mitte des Sturmtiefs war eine religiöse Bewegung namens Jansenismus. Sie entzweite die Menschen, die im Zentrum der politischen und kirchlichen Macht standen. Da Vinzenz zu dieser Zeit auf nationaler Ebene in die Kirchenreform eingebunden war, konnte er sich diesem Problem nicht entziehen. In einem besonders kritischen Moment sagte er vor Gericht zugunsten eines alten Kameraden aus, des Abtes von Saint Cyran, eines führenden Jansenisten, der von der Regierung des Kardinals Richelieu bekämpft wurde. Vinzenz weigerte sich, einen Freund der Politik des Kardinals zu opfern.

Wie dem auch sei, einige Jahre später begann Vinzenz vehement gegen die jansenistische Geisteshaltung aufzutreten. Die Schriften des Abtes hatten eine bedenkliche Schärfe angenommen. Vinzenz Freund predigte jetzt einen abschreckend kalten, richtenden Gott, der streng auf die sündigen Menschen blickt. Die Jansenisten hielten allgemein die menschliche Natur für im innersten Kern von der Erbsünde verdorben.

So einen furchtbar strengen Gott konnte Vinzenz nicht annehmen. Von Kindheit an hatte er zum allbarmherzigen, milden, liebenden Vater Jesu Christi gebetet, einem "Abba", der alle seine Kinder mit herzlicher Liebe umfängt. Vinzenz ruhte in Gottes väterlicher Sorge und Fürsorge und erwärmte sich an ihr.

Er konnte der verworrenen Politik der Jansenisten gewisse Zugeständnisse machen, sich aber nicht mit ihren Vorstellungen vom Göttlichen abfinden. Er konnte sich nicht vorstellen, das Joch eines so furchterregenden Gottes dem armen, leidenden französischen Volk aufzuerlegen. Seiner Ansicht nach war Gottes Name vor allem Barmherzigkeit.

Vinzenz lehnte die jansenistischen Ansichten nicht nur öffentlich ab, sondern auch in seiner Tätigkeit als geistlicher Leiter. Als einer seiner Brieffreunde nach dem Tod beider Eltern schon eine schwierige Zeit durchlitten hatte, schrieb er ihm diese Worte zurück:

Das größte Geheimnis des geistlichen Lebens ist sicherlich, alles, was wir lieben,Ihm hinzugeben, indem wir uns selbst allem hingeben, was Gott wünscht, im vollen Vertrauen, dass es zu unserem Besten gereicht... Er wird dir Vater und Mutter sein, dein Trost, deine Kraft und schließlich die Belohnung deiner Liebe.

Im starken Gegensatz zum jansenistischen Gottesbild war Gott für Vinzenz der liebende Abba.

Halte inne:

Erwäge folgende Frage: Fühle ich mich in meinem Gebet in die Arme und auf den Schoß eines liebenden Gottes genommen?

Vinzenz spricht:

In einem Gespräch kurz vor seinem Tod eröffnete Vinzenz, was ihn am meisten getragen und genährt hatte. Er sagte:

Sich verzehren für Gott, keine Güter oder Macht zu haben, außer um sie für Gott zu verwenden. Das tat unser Erlöser selbst, der sich verzehrte aus Liebe zum Vater.

In einem anderen Fall war Louise von Marillac besorgt, nicht Gottes Willen getan zu haben, weil sie nicht alle ihre Vorsätze, die sie gefasst hatte, vollkommen durchführen konnte. Vinzenz gab ihr folgenden einfachen Wink:

Machen Sie sich keine Sorgen, wenn Sie sie (die Vorsätze) nicht ausführen können. Gott ist die Liebe und wünscht, dass wir in Liebe zu Ihm gehen. Betrachten Sie sich also nicht als verpflichtet, alle diese guten Vorsätze zu erfüllen.

Reflexion:

Die große Zahl seiner Werke verlangten von Vinzenz, dass er ein schnelles Tempo beibehielt. Nichtsdestoweniger bewunderten seine Zeitgenossen seine Ruhe und sein Vertrauen. Sogar, wenn er unmittelbar mit Verzweifelten oder Kranken zu tun hatte, inmitten chaotischer Umstände, lebte Vinzenz in gefestigtem inneren Frieden.

Beim Lesen der Evangelien erfuhr Vinzenz großen Trost aus der Beziehung Jesu zu Seinem Abba. Jesus, der Sohn, kann heilen, weil Er sich im liebenden Angesicht Gottes weiß, Seines liebenden Vaters. Jede Handlung des Menschen muss, um vollkommen gut zu sein, ein Abbild der liebenden Gemeinschaft Jesu mit Seinem Abba sein. Vinzenz war hierin ein gelehriger Schüler.

Er lernte Gottes beständige Liebe auch durch die Armen kennen, mit denen er arbeitete. Sie verkörperten Gottes mütterliche und väterliche Liebe im Kleinen und im Großen. Vinzenz wusste, er konnte auf Gottes Schutz vertrauen, wenn er "unmögliche" Aufgaben übernahm, oder wenn er einmal keinen Ausweg mehr wusste. Der Glaube an Gottes unermessliche Güte stärkte Vinzenz in seiner Ausdauer.

Betrachte deine eigenen Gottesbilder unter folgenden Aspekten:

  1. Wenn du betest, welches Bild von Gott kommt dir am öftesten in den Sinn?
  2. Meinst du, dass du die richtigen Worte aussuchen musst, oder bestimmte Themen in deinen Gesprächen mit Gott vermeiden sollst?
  3. Betest du manchmal zu einem strengen oder teilnahmslosen Gott? Wenn ja, erinnere dich an einen einzelnen Fall und frag dich, warum du dir Gott so vorgestellt hast.
  4. Hast du entdeckt, dass du schon immer zu Gott als liebenden Vater (liebende Mutter) gebetet hast? Wenn ja, unter welchen Gegebenheiten hast du diese Erfahrung gemacht? Wie fühltest du dich während dieser Zeit des Gebetes?
  5. Um dein Bild vom liebenden, väterlichen wie auch mütterlichen Gott aufzufrischen, seien dir die Lektüre und Betrachtung folgender Schriftstellen empfohlen: Pss 23,1; 121,5; Jes 40,10-11; Mt 6,8-15; 11,25-27; Lk 11,13; Joh2,1; 1Joh4,8.
  6. Bete langsam und wiederholt diese Worte des hl. Vinzenz und erwäge ihre Bedeutung für dich: Gott wird mir "Trost,... Kraft,... Belohnung der Liebe" sein.
  7. Mache dir eine Situation bewusst, in der du dich zur Zeit nicht zurechtfindest, die dir chaotisch vorkommt. Wer ist involviert? Was ist im Gange? Wie fühlst du dich dabei? Dann stell dir vor, dass Gott an deiner Seite ist. Bitte Gott um die Gnaden die du brauchst, um in dieser Situation bestehen zu können. Was sagt dir Gott über diese Angelegenheit? Höre hin. Dann wiederhole still dieses Gebet aus Psalm 62: Du Gott bist "mein Fels, meine Hilfe, meine Burg; darum werde ich nicht wanken".
  8. Erinnere dich an eine Zeit inmitten von Leid und Wirren, als dir das Gespür der Gegenwart Gottes half, ruhig und fest zu stehen. Versetze dich in Gedanken in diese Szene: Wie hast du Gottes Beistand erfahren, wie fühltest du dich? Gab es einen Menschen, der Vertrauen ausstrahlte und dir Hilfe und Zuspruch schenkte? Danke Gott für die Heiterkeit und Stärke, die Er dir gegeben hat.
  9. In dieser nun folgenden Meditation bist du eingeladen, Jesus zu begegnen:

    Schließe die Augen... entspanne dich... Lass alle Spannungen los... Atme tief ein und aus... ein und aus... Spüre, wie die Spannungen aus deinen Füßen weichen... wenn nötig, spanne die Muskeln an und entspanne sie dann wieder... jetzt die Beine... Bauch und Brustkorb... Nun entspanne deine Arme... den Nacken... Entspanne auch Kieferpartie und Gesicht... Schalte ab... Höre den Atem des Lebens, wie er langsam ein- und ausströmt. ...

    Jetzt versetze dich auf einen Hügel über Jerusalem... Jesus und Seine Jünger ziehen vorbei... Auf der Kuppe bleibt Jesus stehen und sieht nieder auf die Stadt... Schmerz erfüllt Sein Gesicht... du hörst Seine leisen Worte: "Jerusalem, Jerusalem, wie sehr habe ich danach verlangt, dich in meinen Armen zu sammeln, wie eine Glucke die Küken unter ihren Flügeln sammelt."...

    ... Er bemerkt Dich, wie du dort bei Ihm stehst... Während Er Seine Arme nach dir ausstreckt, gehst du auf Ihn zu und Er umarmt dich...... Vereint in der Umarmung, sagst du Ihm, was du auf dem Herzen hast. ...

    Nachdem du es gesagt hast, geht Ihr auseinander. Jesus schaut dir in die Augen. ... Er setzt Seine Reise nach Jerusalem fort. ... Du schaust Ihm nach, wie Er den Hügel hinabsteigt. ...

Wenn du die Meditation abgeschlossen hast, verlasse die Szene wieder und öffne die Augen.

Nach dieser Meditation magst du vielleicht den Wunsch verspüren, diesen oder jenen Gedanken in dein geistliches Tagebuch zu schreiben.

Stell dir vor, dass Johannes der Täufer eben das warme Wasser des Jordan über dich gegossen hat. Wiederhole diese Worte frei nach der Schrift als Gebet göttlicher Bestätigung: "Ich bin Gottes geliebtes Kind." Steh am Ufer des Flusses und laß die Bedeutung dieser Worte auf dich wirken.

Dieses Gebet hängt über der Abwasch einer geplagten Mutter von vier Kindern. Wenn du einmal sehr beschäftigt bist, bete es mit ihr:

Die Luft - die mütterliche Luft, die Höhlen, ein Vogelnest, All das erinnert mich immerzu an einen Gott, der uns in sich trägt wie die Mutter ihr Kindlein in ihrem Schoß.

Wort Gottes:

Kann denn eine Frau ihr Kindlein vergessen; Eine Mutter ihren leiblichen Sohn? Und selbst wenn sie ihn vergessen würde: Ich vergesse dich nicht Sieh her, ich habe dich eingezeichnet in meine Hände.

(Jes 49,15-16)

Abschließendes Gebet:

All-liebender Gott, umgib mich mit deinem Erbarmen und deiner Liebe. Lass mich spüren, wie stark deine Hände sind, besonders, wenn ich mich ganz verloren fühle. Lass mich erfahren, wie überragend groß deine Fürsorge für mich und für dein ganzes Volk ist.

Meditation 2

Meditation 2 - Gottes Willen folgen

Thema:

Vinzenz betete, dass seine Pläne und Handlungen immer in Einklang mit Gottes Willen stehen mögen. Er wusste: Dies ist der Weg zu einem erfüllten Leben.

Eröffnungsgebet:

Alles vorhersehender Gott, ich lege all meine Gedanken und Regungen, meine Vorurteile und Ansichten, mein Handeln und Zögern, meine Pläne und meine Planlosigkeit in deine Hände. Führe mich auf deinem Weg.

Aus seinem Leben:

Eines Nachmittags in einem seiner letzten Lebensmonate saß Vinzenz mit einigen seiner engsten Freunde zusammen. Vinzenz begann, wie es die Menschen manchmal tun, wenn sie spüren, dass ihre Zeit kommt, über das zu reden, was ihm am wichtigsten schien. Er erzählte nicht über ein besonders erfolgreiches Unternehmen, oder über Menschen, die er geliebt hatte, oder die ihn geliebt hatten, nicht einmal über seine Lieblinge, die Armen. Er sprach vielmehr von der liebenden Hand Gottes, von dem inneren Stern, der ihn durch all die bewegten Jahre geführt hatte. Alt und gebeugt, wie er war, erklärte er: "Wir müssen uns Gott hingeben und uns für Gott verzehren."

Alles, sagte er, drehe sich einzig und allein darum, zu tun, was Gott im Sinn hat. Und er setzte sein Thema fort": Und ich selbst, so alt und schwach ich auch bin, werde nicht davon ablassen, offen für Gott zu sein, ja selbst um nach Indien zu fahren, um Seelen für Christus zu gewinnen, auch wenn ich auf dem Weg dorthin oder an Bord des Schiffes sterben sollte."

Seine Zuhörer waren wohl kaum überrascht von seinen Worten. So weit sie sich zurückerinnern konnten, war Vinzenz bestrebt Gottes Willen zu folgen. Einige der Älteren konnten sich noch an den schwülen Sommertag vor fünfzig Jahre erinnern, als der junge Herr Vinzenz sie auf einer besonderen Wallfahrt zum Montmartre in Paris geführt hatte. Als sie das Heiligtum an der Spitze des Berges erreicht hatten, ließ er sie niederknien. Dann betete Vinzenz in ihrem Namen "um die Gnade, nichts zu haben als Gott allein und alles für Gott zu tun". Und all die Jahre seit diesem Tag am Montmartre, der für sein Leben zum Leuchtturm wurde, folgte sein innerer Kompass jenem gnadenhaften, großmütigen Entschluss.

Halte inne:

Frage dich: Wann habe ich in den letzten Tagen, bei verschiedenen Entscheidungen, die ich getroffen habe, bewusst nachgedacht, um Gott nach Seinem Willen für mich zu fragen?

Vinzenz spricht:

Im einzigen systematischen Werk, das er je verfasste, den Konstitutionen für die Priester und Brüder der Mission, gab er folgenden Rat:

Ein sicherer und kurzer Weg, die christliche Vollkommenheit zu erlangen, ist es, immer und in allen Lagen den Willen Gottes zu erfüllen. ... Bemühen wir uns besonders um einen Gleichmut, wie Christus und die Heiligen ihn geübt haben. Kleben wir nicht an unseren Ämtern, an Personen, Orten, besonders unserer Heimat, seien wir im Gegenteil bereit, all das... zu verlassen.

Ein Jahrzehnt früher, als er versuchte, einen verwirrten Missionar zu ermutigen, die wahren Ziele seines Lebens zu finden, schrieb Vinzenz:

So, lieber Mitbruder, bitten wir unseren Herrn, dass alles nach Seiner Vorsehung getan werde, dass unsere Willen sich Ihm solcherart unterwerfen, dass es bei Ihm und uns nur mehr einen einzigen gibt, der es uns ermöglicht, uns Seiner einzigartigen Liebe in Zeit und Ewigkeit zu erfreuen.

Reflexion:

Eine Spiritualität, die nur selten in Handlung übergeht, kann sicher in Frage gestellt werden. Andererseits kann unüberlegtes Handeln einfach ein Zwang zur Arbeit sein.

Vinzenz übernahm ein schwieriges Vorhaben nach dem anderen und war von Zeit zu Zeit durch die Arbeit erschöpft. Immer aber überlegte er jede Handlung, um sich zu versichern, dass sie sich auf Gottes Willen gründete. Ihm konnte niemals vorgeworfen werden, nur um der Arbeit willen gearbeitet zu haben.

Vinzenz studierte die Schrift, fragte um Rat und betete zu Gott um Klarheit und Kraft. Dann handelte er zuversichtlich, im Vertrauen darauf, dass er das Beste getan hatte, um Gottes Plänen zum Durchbruch zu verhelfen.

• Denke an eine Gelegenheit, als du in besonderer Weise Gott wahrgenommen hast, wie Er in dir wirkte. Wer war dabei? Was hast du getan? Was fühltest du? Sprich mit Gott über diese Zeit, als du mit Ihm gemeinsam unterwegs warst.

• Bete langsam, in Abständen wiederholt, diese Worte: "Meine Speise ist es, den Willen dessen zu tun, der mich gesandt hat und sein Werk zu Ende zu führen." (Joh 4,34)

Als alter Mann erklärte Vinzenz, dass er für Gottes Willen offen sei, auch wenn das hieße, nach Indien auszufahren, und an Bord des Schiffes zu sterben. Offen sein für Gottes Willen kann auch heißen, liebgewonnene Gedanken oder Besitztümer aufzugeben. Ergänze Vinzenz Aussage auf deine Art. Versuche es mit verschiedenen Dingen, die du nur schwer über Bord werfen könntest, solltest du herausfinden, dass Gottes Wille dich in eine neue Richtung führte:

"Ich selbst, so wie ich bin, darf nicht aufhören, Gottes Willen zu tun, selbst wenn das bedeuten würde, dass ich......"

• Bete um die Gnade, die du brauchst, um "ja" zu Gottes Eingebungen zu sagen, wie immer sie auch sein mögen.

• Meistens ist es leichter, Gottes Willen nach begangener Tat zu erkennen. Das christliche Leben verlangt von uns, Entschlüsse zu fassen und Gottes Willen zu folgen. Halte dir Entscheidungen vor Augen, die dir ins Haus stehen. Dann wähle eine aus, um darüber zu beten.

• Bitte zuerst um Gottes Hilfe mit diesem Gebet frei nach den Worten des heiligen Paulus an die Epheser ": Sei gepriesen mein Gott." In aller Weisheit und Einsicht tust du uns deinen Willen kund durch Christus, deinen Sohn. Offenbare mir deinen Willen, dass ich wie Jesus leben und handeln kann."(Eph 1;3,8-9)

• Suche in der Bibel nach Stellen, die Gottes Licht auf deine Entscheidungen werfen. Vertraue auf die Führung des Heiligen Geistes. Überdenke, was die Schrift dir enthüllt.

• Wenn du einen weisen Freund hast, teile ihm oder ihr deine Fragen oder Gedanken mit. Bitte ihn um Hilfe, um deine Wahl zu treffen.

• Lege deine Entscheidungen vor Gott hin. Bitte um die Erleuchtung des Heiligen Geistes zur Erkenntnis des Willens Gottes und um den Mut, danach zu handeln.

• Thomas Merton, einer der großen geistlichen Schriftsteller des zwanzigsten Jahrhunderts, sprach vom Handeln aus unserer "falschen" oder unserer "wahren Mitte". Unsere falsche Mitte besteht aus oberflächlichen Gedanken und schlecht bedachten, oft fälschlich überhöhten Erwartungen. Unsere wahre Mitte ist der innerste Raum in uns, wo Gott wohnt und spricht. Das Handeln aus der falschen Mitte führt häufig zu Ruhelosigkeit, Disharmonie und Unzufriedenheit. Das Handeln aus unserer wahren Mitte bringt Verständnis, Überzeugung und Erfüllung. Denke zurück: Versuche, dich an Zeiten zu erinnern, als du aus deinem falschen Selbst gehandelt hast. Warum machtest du es so? Was folgte daraus? Dann versuche, dir Tage und Stunden vor Augen zu führen, als du wusstest, dass der Wille Gottes deinen Handlungen zugrunde lag. Wie fühltest du dich? Was war das Ergebnis? Sprich mit Gott, wie du in deiner falschen Mitte gefangen warst, und über die Gnade, die du brauchst, um beständiger aus deiner wahren Mitte heraus zu handeln.

• Lies langsam den Text von der Verkündigung (Lk 1, 26-36). Nachdem du ihn ein- oder mehrmals gelesen hast, schließ die Augen. Versetze dich gedanklich in den Raum und beobachte, wie Maria zustimmt, Mutter des Emmanuel, des "Gott- mit- uns" zu werden. Wie sieht sie aus? Wie reagiert sie? Höre sie sagen: "Ich bin die Magd des Herrn, mir geschehe, wie du es gesagt hast."

• Jetzt stelle dir einige schwierige Situationen vor. Du bist mit Leuten zusammen, mit denen du nur schwer auskommst. Im Wissen, dass Gott dich zu einem Leben in Liebe berufen hat, bete Marias Worte im Hinblick auf deine eigene Situation: "Ich bin die Magd des Herrn."

Wort Gottes:

Ich bin das Brot des Lebens. Wer zu mir kommt, der wird nicht hungern. Keiner, der an mich glaubt, wird dürsten. Ich bin in Fleisch und Blut gekommen, um den Willen dessen zu tun, der mich gesandt hat, nicht, um nach meinem Willen zu handeln. Das ist der göttliche Wille: Wer an den Sohn glaubt, soll ewiges Leben haben. Ich sage euch, wer glaubt, wird auferweckt am jüngsten Tag.

(nach Joh 6,35-40)

Abschließendes Gebet:

Gib mir die Gnade [liebender Gott]... von diesem Augenblick an zu beginnen, in der Gnade der Heiligen im Himmel zu leben, die darin besteht, im Wollen und Nichtwollen eins mit dir zu sein.